Bei Luftverschmutzung denken die meisten
Leute an Neu-Delhi oder Peking. Sie auch? Zu Recht macht der Smog in
asiatischen Städten immer wieder Schlagzeilen. Was dabei leicht
übersehen wird: In afrikanischen Städten wie Dakar oder Lagos ist die
Luftqualität noch schlechter. Hauptgrund für die ungesunde Luft sind
Fahrzeugabgase.
Besonders problematisch ist der hohe Schwefelgehalt im Treibstoff. In
afrikanischen Ländern werden Diesel und Benzin mit einem Schwefelgehalt
verkauft, der bis zu 378-mal über dem europäischen Grenzwert liegt. Das
haben Messungen von Public Eye vor Ort ergeben. Mit diesen qualitativ
schlechten Treibstoffen lassen sich hohe Profite erzielen – auf Kosten
der Gesundheit der Menschen und der Umwelt.
Unsere neuste Recherche zeigt,
dass Schweizer Rohstoffhändler - allen voran Branchenleader Trafigura -
das dreckige Geschäft mit dem giftigen Treibstoff für Afrika
dominieren. Sie liefern ihn, verkaufen ihn vor Ort über eigene
Tankstellen-Netzwerke und produzieren das Gemisch sogar selbst. Dabei
nutzen sie die tiefen Grenzwerte in den Ländern systematisch aus und
optimieren mit den giftigen Treibstoffen ihre Profitmargen. So tragen
sie direkt zur Luftverschmutzung bei und sind somit mitverantwortlich
für den frühzeitigen Tod tausender Menschen.
Das Handeln der Schweizer Rohstoffhändler ist aufgrund der laschen
Standards zwar legal, aber es ist illegitim und verletzt die
Menschenrechte. Wir finden: Das dreckige Geschäft muss aufhören!
Es ist Zeit zu handeln!
Wir setzen uns zusammen mit verschiedenen afrikanischen Organisationen
und dem UNEP (Umweltprogramm der UNO) für griffige Treibstoffstandards
ein. Die Rohstoffhändler hier in der Schweiz sind die Nutzniesser dieses
ungerechten Geschäftsmodells. Wir wollen sie dazu bringen, ihre soziale
Verantwortung wahrzunehmen.
Deshalb drehen wir den Spiess um und schicken einen Container mit
dreckiger Luft aus Ghana nach Genf, wo auch Branchenführer Trafigura
seinen Sitz hat. Das Unternehmen kann dabei unter Beweis stellen, wie
ernst es ihm ist auch punkto Unternehmensverantwortung führend sein zu
wollen.
Aktivistinnen und Aktivisten aus Ghana haben den Container gefüllt,
gemeinsam müssen wir nun sicherstellen, dass Trafigura unsere Forderung
nach sauberem Treibstoff auch hört: Unterschreiben Sie unsere Petition
«Return to Sender», teilen Sie die Kampagne in ihrem Freundeskreis und
folgen Sie uns auf Twitter unter ♯ReturnToSender! Um ein so profitables
Drecksgeschäft stoppen zu können, braucht es viel öffentlichen Druck -
jede Stimme zählt! Herzlichen Dank.
Als Organisation setzt Public Eye (ehem.
EvB) sich für jene Menschen ein, deren Rechte durch das Handeln von
Schweizer Unternehmen verletzt werden. Danke, dass Sie sich mit uns
engagieren.
Susanne Rudolf
Public Eye (bisher Erklärung von Bern)
Die Frauen nähen wie Getriebene, sie werden beleidigt, sexuell
belästigt, geschlagen. Die Textilproduktion für westliche Konzerne in
Billiglohnländern fußt auf der Ausbeutung von Frauen. Wenn Menschen bei
der Herstellung von Billigtextilien sterben wie jetzt in Bangladesch,
ist der Aufschrei jedes Mal groß. Doch an der Situation ändert sich
nichts.
Von Karin Steinberger und Stefan Weber
Jetzt werden wieder alle aufschreien. So wie im September 2012, als in Pakistan zwei Fabriken abbrannten und mehr als 300 Menschen in den Trümmern erstickten.
Es sind immer die gleichen Bilder: verschmurgelte Nähmaschinen, Männer,
die mit bloßen Händen nach ihren Frauen oder Töchtern graben. Es sind
immer die gleichen Probleme: abgesperrte Notausgänge, vergitterte
Fenster, gefälschte Sicherheitszertifikate, korrupte Fabrikbesitzer. Es
sind immer die gleichen Ausreden: der Druck der Weltwirtschaft.
Jetzt kommen die Bilder also aus Bangladesch.
Jetzt graben die Männer in Savar nach den Resten ihrer Frauen, sammeln
Sandalen und bunte Schals aus der Asche. Mehr als 112 Menschen sind am
Wochenende in der Tazreen-Fashion-Fabrik gestorben, in der jeden Monat
eine Million T-Shirts, 800.000 Polo-Shirts und 300.000 Fleecejacken
produziert wurden, unter anderem für C&A, Carrefour, Kik und
Walmart. Fliederfarben, orange, wie es die Branche gerade wünscht. Jeder
neue Trend in Europa bedeutet, dass die Frauen in Bangladesch
Überstunden machen.
In Bangladesch trauerten sie, Nationalflaggen im ganzen
Land wurden auf Halbmast gesetzt, in den Tempeln beteten die Menschen,
Politiker sagten, was zu sagen ist. Dann schlug die Trauer um in Wut.
Tausende Arbeiter gingen in den vergangenen Tagen auf die Straße,
bewarfen Fabrikgebäude mit Steinen, zerstörten Autos und blockierten
Straßen. Hunderte Fabriken wurden geschlossen.
Ein Mindestlohn von 46 Euro im Monat
Es herrscht eine Stimmung wie im Sommer 2010,
als Zehntausende durch die Straßen der Hauptstadt Dhaka zogen und für
eine bessere Bezahlung in der Branche demonstrierten. Damals kämpften
sie für einen Mindestlohn von 5000 Taka im Monat, 46 Euro. Sie hatten es
satt, mit einem Drittel davon abgespeist zu werden. Sie hatten es satt,
ihr Leben zu riskieren für so wenig Geld. Nichts hatte man von ihnen
gehört in all den Jahren, nichts gelesen außer dem kleinen Schild hinten
in zahllosen T-Shirts und Hosen, in Millionen von knappen
Sommerkleidchen und dicken Winterpullovern: Made in Bangladesch.
Jetzt standen sie auf der Straße, die meisten von ihnen
Frauen. Mit glitzernden Ohrringen und golddurchwirkten Saris. Es war
das erste Mal, dass sie aufbegehrten. Die Fabrikdirektoren jammerten,
dass sie die Forderungen ihrer westlichen Auftraggeber nicht werden
erfüllen können. Es gab Verletzte, Tote. Dann war wieder Ruhe.
Millionen von Menschen arbeiten in den
Bekleidungsfabriken Bangladeschs. Die Textilindustrie ist der wichtigste
Industriezweig des Landes. Knapp zehn Prozent aller Textilimporte von
Europa kommen aus Bangladesch, das nach China und der Türkei der
drittgrößte Exporteur von Kleidung nach Europa ist. In einer Umfrage
unter den Einkaufschefs großer Modeunternehmen nannten mehr als drei
Viertel der Befragten Bangladesch als das am stärksten aufstrebende
Einkaufsland für Textil. Aber zu welchem Preis?
Nach Angaben der "Kampagne für Saubere Kleidung" starben in Bangladesch
seit 2006 mehr als 470 Menschen bei Bränden in Textilfabriken. Die
Sicherheitsmaßnahmen aber sind meist noch genau so lausig wie schon
immer. Elektrokabel hängen ungeschützt von der Decke, Notausgänge sind
verschlossen, wenn es überhaupt welche gibt. Fenster sind vergittert.
Übungen zum Brandschutz? Meist unbekannt.
Gisela Burckhardt von der "Kampagne für Saubere
Kleidung" kämpft seit Jahren für bessere Arbeitsbedingungen, für eine
bessere Bezahlung und für bessere Sicherheitsmaßnahmen in der Branche.
Sie hat Diagramme erstellen lassen, in denen gezeigt wird, wie sich der
Preis der Kleider zusammensetzt: 50 Prozent Gewinn und Kosten des
Einzelhandels, 25 Prozent Markenwerbung, 13 Prozent Fabrikkosten, 11
Prozent Transport und Steuern. Und nur ein Prozent Lohnkosten.
Vor ein paar Jahren hat sie Arbeiterinnen aus
Bangladesch nach Deutschland eingeladen. Sie sollten der Ausbeutung ein
Gesicht geben und den deutschen Käufern zeigen, wer den Preis zahlt für
Kleidungsstücke, die so billig sind, dass man sich schämen muss.
Suma Sarker stand in ihrem glitzernden Gewand im
Neonlicht eines Kik-Discounters in Mannheim und fuhr mit der Hand über
die bunten Nähte kleiner Kinderhosen. Winzige Reisverschlüsse, zierliche
Hosentaschen. 60 bis 70 dieser Taschen näht sie in der Stunde. Dann sah
sie das Preisschild: 4,99 Euro. Und konnte es selbst nicht glauben, wie
billig ihre Arbeit ist.
Die Frauen nähen wie Getriebene. Und auch das:
Sie werden beleidigt, sexuell belästigt, geschlagen. Wer einer
Gewerkschaft beitritt, riskiert es, den Job zu verlieren. Gisela
Burckhardt kennt das schon, wenn ihre Telefone nicht mehr stillstehen
nach einer Katastrophe wie dieser. Und in der Zeit dazwischen? Hat sie
Mühe, das Thema zu den Menschen zu bringen.
Brandschutzabkommen werden von H&M und Gap verhindert
Sie sagt: "Es ist dringend notwendig, das Brandrisiko
branchenweit zu bekämpfen. Nur wenn man Gewerkschaften vor Ort mit
einbindet, wird sich etwas ändern." Immerhin: Tchibo und die
US-Bekleidungsfirma PVH, zu der Marken wie Tommy Hilfiger und Calvin
Klein gehören, haben ein Brandschutzabkommen mit
Arbeitnehmervertretern vereinbart.
Es kann allerdings erst in Kraft treten, wenn
mindestens vier große Modefirmen mitmachen. Firmen wie H&M und Gap
weigern sich bis jetzt. Gisela Burckhardt hofft nun auf Metro (Real,
Kaufhof) und Lidl. Beide hat die "Kampagne für Saubere Kleidung" vor
kurzem aufgefordert, das Brandschutzabkommen zu unterzeichnen. Bis jetzt
- keine Antwort.
Das Problem ist nicht, dass es keine
Zertifizierungssysteme gibt. Im Gegenteil. Allein deutschen Unternehmen
stehen etwa 80 verschiedene Instrumente zur Verfügung. Viele Firmen
haben außerdem selbst einen Code of Conduct oder Compliance-Richtlinien
festgelegt. Aber Aufträge werden von Subunternehmer zu Subunternehmer
weitergereicht. Die wenigsten Firmen kennen ihre Lieferkette. Gisela
Burckhardt macht das wütend, wie sich die große Firmen seit Jahren
herausreden. Sie will verhindern, dass es so ist wie immer: Es werden
alle aufschreien.
Aber passieren wird - nichts.