Freitag, 11. März 2011

Eine bessere Welt ist möglich!

von Hermann Lueer am 02.03.2011
hier als pdf: http://www.whyhunger.com/deutsch/assets/eine-bessere-welt-ist-moeglich.pdf

Die vorherrschende Wirtschaftsordnung der führenden Industriemächte sorgt täglich unter dem Titel »Globalisierung« für die Sachzwänge, aufgrund derer außer »Hilfe zur Selbsthilfe« für die Verlierer der Konkurrenz beim besten Willen nichts zu machen ist. Welthunger, kein Zugang zu sauberem Wasser für ein Sechstel der Menschheit, bittere Armut und elende Arbeitsbedingungen sind trotz der Wunder der Technik des 21. Jahrhunderts zur Normalität der globalen Wirtschaftsordnung geworden. Nicht nur in den sogenannten Entwicklungsländern, sondern auch innerhalb der erfolgreichen Industrienationen zeugen die offiziellen Armutsberichte von der wachsenden Diskrepanz zwischen dem, was als Wohlstand der Nation im Bruttosozialprodukt bilanziert und als Pro-Kopf-Einkommen umgerechnet wird und dem, was die Mehrheit der Bevölkerung davon hat. Altersarmut, Kinderarmut, Arbeitslosigkeit, Einschnitte im Bildungswesen wie bei der medizinischen Versorgung sind aus wirtschaftlichen Gründen, zur Sicherung der nationalen Wettbewerbsfähigkeit, marktwirtschaftlich nicht zu vermeiden. Seit mehr als 200 Jahren versucht die Arbeiterbewegung vergeblich, den Kapitalismus zu zähmen. Es wird Zeit, seine Abschaffung zu fordern!
(Argumente gegen die Marktwirtschaft finden sich bei: Michael Heinrich, Kritik der politischen Ökonomie, Schmetterlingsverlag, 2005 sowie Hermann Lueer, Warum verhungern täglich 100.000 Menschen?, Edition Octopus, 4. Auflage 2010.)

Die Alternative ist im Prinzip banal. Statt auf der Grundlage des Privateigentums an Produktionsmitteln den Zweck der individuellen Bereicherung gelten zu lassen, wird auf der Grundlage gesellschaftlicher Produktionsmittel die individuelle Bedürfnisbefriedigung zum Zweck erhoben. Die Auswirkungen der geänderten Zwecksetzung sind dann alles andere als banal, was sich leicht daran studieren lässt, wie unterschiedlich Entscheidungsprozesse, Arbeit und Bedürfnisse im Kapitalismus im Vergleich zu in einer Gesellschaft jenseits von Ware, Geld, Kapital und Lohnarbeit vorkommen.
(Die Alternative zum Kapitalismus, die Frage, wie sich eine Gesellschaft jenseits von Markt und Kapital organisieren lässt, wurde von Karl Marx mit seinem Beispiel des »Vereins freier Menschen« nur kurz angerissen (vgl. hierzu Karl Marx, Das Kapital, Bd.1, S.92f sowie Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, S. 19f). Umfassende Darstellungen wie sich jenseits von Markt und Kapital die Entscheidungsprozesse bezüglich der zu produzierenden Güter und Dienstleistungen organisieren lassen, wie sichergestellt werden kann, dass in einer auf Gemeingütern basierenden Gesellschaftsform die notwendigen Aufgaben erledigt werden und wie im Hinblick auf die Aufteilung der Produktionsergebnisse eine zufriedenstellende Kopplung zwischen Nehmen und Geben erreicht werden kann, finden sich bei: W. Paul Cockshott/Allin Cottrell, Towards a New Socialism, 1993; Alfred Fresin, Die bedürfnisorientierte Versorgungswirtschaft. Eine Alternative zur Marktwirtschaft, 2005 sowie Christian Siefkes, Beitragen statt tauschen. Materielle Produktion nach dem Modell Freier Software, 2008)

Der Entscheidungsprozess
Die Frage, welche Bedürfnisse relevant sind, um sie über einen gesellschaftlichen Produktionsprozess zu befriedigen, entscheidet in der Marktwirtschaft der Geldbeutel, über den jemand verfügt. Die Größe des Geldbeutels wiederum ergibt sich aus dem kapitalistischen Produktionsverhältnis, in dem eine Minderheit das Privateigentum an Produktionsmitteln nutzt, indem sie andere für sich arbeiten lässt und über die Ausnutzung der Differenz zwischen dem Preis der Arbeitskraft und dem durch ihre Anwendung geschaffenen Werten ihren Reichtum ständig vermehrt, während die Mehrheit der Bevölkerung in ihrer Mittellosigkeit jeden Tag erneut ihre eigene Arbeitskraft zum Markt tragen muss. Was produziert wird (Qualität), wie produziert wird (Arbeits- und Umweltbedingungen), für wen produziert wird (Verteilung), wo produziert wird (Trennung zwischen Zentrum und Peripherie) und ob überhaupt produziert wird (Krise), entscheidet sich im Kapitalismus auf dem Markt. Wenn genug zahlungsfähige Nachfrage vorhanden ist und es sich für den Besitzer der Produktionsmittel lohnt, dann ist nahezu alles möglich: vom hochwertigen Luxusgut bis zum »Gammelfleisch«. Dann sind Überstunden und Nachtschichten erforderlich, dann kann ohne Rücksicht auf Gesundheit und Freizeitinteressen nicht lange und intensiv genug gearbeitet werden. Wenn die Bedürfnisse nicht zahlungsfähig sind, verhungern in der Marktwirtschaft Millionen Menschen neben vorhandenen Ressourcen und Produktionsmitteln.

In einer auf vergesellschafteten Produktionsmitteln gegründeten Gesellschaft liegt demgegenüber die Kontrolle der Produktionsmittel in den Händen der Produzenten, nicht in der Hand einzelner Privateigentümer. Die Festlegung des Bedarfes der Bevölkerung in Relation der dafür zu leistenden Arbeit wird in einer Kooperation unter Gleichen durch die Bedürfnisse angetrieben, nicht durch den Profit. Der hierfür erforderliche gesellschaftliche Planungsaufwand für Materialbeschaffung, Produktion und Logistik verringert sich zudem im Vergleich zur Marktwirtschaft erheblich. Sobald man einen Moment von der in der Marktwirtschaft aus Konkurrenzgründen erforderlichen Markenvielfalt absieht, ist neben dem grundlegenden quantitativen und qualitativen Bedarf an Nahrung, Kleidung, Wohnung und Infrastruktur auch der darüberhinausgehende Bedarf an Konsum und Luxusgütern leicht zu erfassen. Die in der Marktwirtschaft in den Unternehmen parallel und in Konkurrenz zueinander praktizierte Vervielfachung der Planung, die zudem bezogen auf die gegeneinander gerichteten Auftragseingangsziele je nach Markterfolg einschließlich der erfolgten Investitionen in Produktion-, Logistik- und Verkaufseinrichtungen ständig revidiert und angepasst werden muss, entfällt in einem auf vergesellschafteten Produktionsmitteln gegründeten und gemeinschaftlich geplanten Produktionsverhältnis.

In einer Kooperation unter Gleichen bieten sich für grundsätzliche Entscheidungen verschiedene Formen basis- und rätedemokratischer Verfahren an, bei denen – ausgehend von Basiseinheiten auf lokaler Gemeinde- und Betriebsebene bis zu Organisationen für übergreifende gesellschaftliche Planungs- und Regelungsangelegenheiten – die Abgesandten an grundlegende Weisungen gebunden und jederzeit abrufbar sind. Da es natürlich nicht möglich und sinnvoll ist, dass jeder in jeder Sachfrage kompetent mitentscheidet, wird in vielen Fällen ein »grober Konsens« ausreichend sein, um Detailfragen verantwortlichen Abgesandten bzw. Experten zu überlassen. Im Gegensatz zur Marktwirtschaft, in der die individuelle Bereicherung die Maxime ist, ist in einer auf Gemeineigentum basierenden Gesellschaft auch bei Meinungsverschiedenheiten das einigende Band das gemeinsame Interesse, die für die gesellschaftliche Bedürfnisbefriedigung notwendige Arbeit effektiv zu organisieren.

In der Marktwirtschaft werden grundsätzliche gesellschaftspolitische Entscheidungen im Rahmen der demokratischen Parteienkonkurrenz darüber entschieden, dass die Bevölkerung in der Regel alle vier Jahre im wahrsten Sinne des Wortes ihre Stimme abgibt. Mit der Stimmabgabe sind die Vertreter der gewählten Partei ermächtigt, die für den marktwirtschaftlichen Erfolg der Nation erforderlichen Maßnahmen als ideeller Gesamtkapitalist umzusetzen. »Eine irgendwie geartete Möglichkeit, Einfluss auf den Inhalt der späteren Entscheidungen der Staatsgewalt zu nehmen, ist mit dieser Sympathiebekundung des Wählers für die Partei seiner Präferenz nicht verbunden. Aus der Wahl gehen nämlich auf jeden Fall Mandatsträger hervor, die nur ihrem eigenen Gewissen verpflichtet, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und damit ausdrücklich von der Bindung an den Wählerwillen freigesetzt sind (Artikel 38 Abs. 1 GG). ... Im Wahlkreuz ist jede individuelle Überlegung oder Erwartung, die den Wähler zu seiner Stimmabgabe bewegt haben mögen, ausgelöscht in dem Ja zu einer Partei und reduziert sich damit auf eine von seinen Interessen und Ansprüchen an die Politik getrennte Zustimmung zur politischen Herrschaft über ihn.«
(Albert Krölls, Das Grundgesetz – ein Grund zum Feiern?, 2009, S. 189f)

Die notwendige Arbeit
Grundprinzip einer auf der Grundlage gesellschaftlicher Produktionsmittel von den Produzenten bestimmten Produktionsweise wäre es, den für die Güterherstellung notwendigen Aufwand unter den Menschen, die diese Güter haben wollen, aufzuteilen. Grundprinzip der Marktwirtschaft ist, über den Kauf von Arbeitskräften andere für sich arbeiten zu lassen, um über die Differenz zwischen dem Preis der Arbeitskraft und den von ihr geschaffenen Werten den eigenen privaten Reichtum zu mehren. In der Marktwirtschaft ist das Interesse des Privatbesitzers der Produktionsmittel die Arbeitskräfte möglichst lange, intensiv und kostengünstig für sich arbeiten zu lassen. In der gemeingüterbasierten Produktionsweise relativiert der individuelle Aufwand, der zu leisten ist, den Nutzen der produzierten Güter und Dienste. Hier ist es daher zweckmäßig, den notwendigen Arbeitsaufwand wegzuautomatisieren, angenehmer zu gestalten (unterhaltsamer, interessanter, sicherer, leichter) oder soweit wie möglich, zu verkürzen.

In der Marktwirtschaft wird in Maschinen und Anlagen zur Erleichterung oder Automatisierung der Arbeit investiert, wenn das Verhältnis von Vor- zu Überschuss sich für den Unternehmer im Vergleich zu alternativen Investments lohnt. Wenn die Lohnkosten für die auf dem Arbeitsmarkt miteinander konkurrierenden Arbeitskräfte günstiger sind als die Investition in Maschinen, lohnt sich Automatisierung für die Unternehmen nicht. Sie würden gemessen an den billigen Arbeitskräften teurer produzieren und Gefahr laufen, gegenüber ihrer Konkurrenz, die auf Automatisierung verzichtet, ins Hintertreffen zu geraten. In der Marktwirtschaft sind bezogen auf die Entscheidung, wie der Arbeitsprozess organisiert wird, die Arbeitsmühe und der physische Verschleiß ökonomisch nicht relevant. »Bei der gemeinsamen Produktion sieht das ganz anders aus – wenn alle Mitglieder eines Peer-Projekts bestimmte Aufgaben vermeiden wollen, können sie erhebliche Anstrengungen auf sich nehmen, um sie los zu werden oder (wenn sich die Arbeit noch nicht wegautomatisieren lässt) sie zumindest weniger umfangreich oder weniger unangenehm zu machen. ... Dafür gibt es viele Möglichkeiten, ja nach Art der Aufgabe: unsichere Arbeitsbedingungen kann man sicherer machen; unbeliebte Arbeitszeiten können aufgegeben werden ... Zahlreiche Aufgaben können unterhaltsamer, interessanter oder anspruchsvoller gemacht werden als sie heute sind, wenn diejenigen, die die Aufgabe erledigen, auch entscheiden, wie sie erledigt wird – und für Peer-Projekte wird das der normale Modus sein.« (Christian Siefkes, Beitragen statt tauschen, S.26f) Darüber hinaus können in einer Kooperation unter Gleichen unangenehme Aufgaben, die nicht über verbesserte Arbeitsabläufe erleichtert oder verkürzt werden können, auch dadurch reduziert werden, dass man sie höher gewichtet. »Eine unangenehme Aufgabe wird angenehmer, wenn man weniger Zeit damit verbringen muss, so dass einem mehr Zeit für andere Aktivitäten verbleibt. ... Wenn ich mich entscheiden muss, ob ich eine vorgegebene Zeitspanne mit einer Aufgabe verbringe, die mir gefällt (sagen wir Programmieren), oder aber mit einer, die ich nicht mag (z.B. Müllabfuhr), wird mir die Wahl nicht schwerfallen. Aber wenn ich mich zwischen zwanzig Wochenstunden Programmieren und fünf Wochenstunden Müllabfuhr entscheiden muss, könnte meine Entscheidung anders ausfallen – die unbeliebte Tätigkeit ist plötzlich um einiges attraktiver geworden.« (Christian Siefkes, Beitragen statt tauschen, S.28f) Für den Zweck, die Konsumierendenperspektive der Gesellschaftsmitglieder (bestimmte Aufgaben sollen erledigt werden) mit ihrer Produzierendenperspektive (manche Aufgaben sind beliebt, andere weniger) in Einklang zu bringen, kann in einer Produktion unter Gleichen ein Aufgabenversteigerungssystem eingerichtet werden: »Dieses System listet alle zu erledigenden Aufgaben auf und ermöglicht es allen Projektmitgliedern, sich Aufgaben, die ihnen am besten gefallen, auszusuchen. Gibt es nicht genügend Freiwillige für eine Aufgabe, wird das Gewicht dieser Aufgabe erhöht: Wer diese Aufgabe übernimmt, muss weniger Zeit für das Projekt aufbringen. Umgekehrt wird das Gewicht von Aufgaben, für die sich mehr Freiwillige als nötig interessieren, reduziert – man muss also mehr Zeit für das Projekt aufbringen, wenn man sie übernehmen will. ... Die Beiträge zu einem Projekt werden also nicht einfach in Arbeitszeit, sondern in gewichteter Arbeitszeit gemessen. ... Ein solches Aufgabenversteigerungssystem stellt also sicher, dass alle relevanten Aufgaben übernommen werden und dass sich alle Projektmitglieder gemäß ihrer Präferenzen entscheiden können – niemand wird gezwungen etwas zu tun oder zu lassen.« (Christian Siefkes, Beitragen statt tauschen, S.29f. Bezüglich verschiedener denkbaren Varianten sowie der mathematischen Details der Auktionsmodelle vgl. ebenda S. 155ff)

Im Kapitalismus wird bezogen auf den Arbeitsmarkt auch niemand direkt gezwungen etwas zu tun oder zu lassen. Marktwirtschaftlich wird die notwendige Arbeit darüber verteilt, dass die mittellosen Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt um die Arbeitsplätze konkurrieren. Wer aus welchen Gründen auch immer keinen der attraktiven, gut bezahlten Arbeitsplätze bekommt, muss weniger attraktive Arbeit für wenig Geld verrichten. Da der Zugang zu Bildung wie alles in der Marktwirtschaft davon abhängig ist, über wie viel Geld jemand verfügt, erzeugt und manifestiert die kapitalistische Wirtschaftsordnung eine dem Geschäftsinteresse des Kapitals angemessene Trennung der Bevölkerung in qualifizierte und weniger qualifizierte, billige Arbeitskräfte. Wer Pech hat, keine lohnende Verwendung zu finden, lebt als Arbeitsloser neben den Reichtümern der Gesellschaft am Existenzminimum und außerhalb der reichsten Industriestaaten der Welt auch darunter. In einer Kooperation unter Gleichen, in der der für die Güterherstellung notwendige Aufwand unter den Menschen, die diese Güter haben wollen, aufgeteilt wird, bedeutet Arbeitslosigkeit schlicht, dass die zu verteilende notwendige Arbeit erledigt ist, und das Reich der Freizeit beginnt.

Die Koppelung zwischen Geben und Nehmen
In der globalisierten Marktwirtschaft ist auf der Grundlage des Privateigentums an Produktionsmitteln die Kopplung zwischen Geben und Nehmen darüber organisiert, dass ca. 10 % der Weltbevölkerung, die über 90 % der Reichtümer verfügen, mit dem Einsatz ihres Kapitals die Anderen für sich arbeiten lassen und so ihren Reichtum ständig vermehren. Da sämtliche produzierten Güter das Privateigentum der Produktionsmittelbesitzer sind, trennt die Menge des Geldes, über die jemand verfügt, die Bevölkerung in arm und reich. Selbst Dinge, die ohne zusätzlichen Aufwand teilbar sind, werden in der Marktwirtschaft prinzipiell zwecks geschäftlicher Verwertung vor fremder Benutzung geschützt (Betriebsgeheimnisse, Patente, copy right auf elektronische Medien, Software etc.). In einer Kooperation unter Gleichen wäre es dumm, Ideen und Wissen geheim zu halten, statt sie zu teilen. In einer gemeingüterbasierten Produktionsweise sind die Ressourcen und Produktionsmittel Gemeingüter ebenso wie die damit produzierten Güter, die man benutzt und die im Unterschied zum Eigentum bei Nichtbenutzung grundsätzlich an andere übergehen können. (Christian Siefkes, Ist Commonismus Kommunismus? Commonbasierte Peer-Produktion und der kommunistische Anspruch, in: Prokla, Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft, Heft 155, 39. Jg., 2009, Nr. 2, S. 252f)

Ausgehend von einer Gesellschaftsform, die auf der Grundlage der Konkurrenz um die Macht des Geldes permanent Gründe für Angeberei, Lug und Trug, Mord und Totschlag liefert, wäre es jedoch naiv zu glauben, man könne die Kopplung zwischen Geben und Nehmen mit der Einführung des Gemeineigentums einfach nach dem Motto – »jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen« – organisieren. Auch in einer auf Gemeingüter basierenden Gesellschaft wird schließlich erwartet, dass die Mitglieder der Gesellschaft, die die bereitgestellten Güter und Dienste konsumieren, grundsätzlich etwas zu ihrer Produktion beitragen. Wie lässt sich in einer Kooperation unter Gleichen die Kopplung zwischen Geben und Nehmen organisieren?

Abhängig von den besonderen Eigenschaften der zu verteilenden Güter sind verschiedene Beitragsmodelle denkbar (vgl. hierzu Christian Siefkes, Beitragen statt tauschen, S.32ff):
»Die Kopplung zwischen Nehmen und Geben kommt dadurch zustande, dass Projekte den zur Güterproduktion nötigen Aufwand erfassen und anteilig an die Konsument/innen ihrer Güter weitergeben. Im Fall des proportionalen Allokationsmodells wird dabei erwartet, dass die Konsument/innen jeweils ihren Anteil des Produktionsaufwandes dem Pool »zurückgeben«, indem sie ihrerseits Aufgaben im gleichen Umfang für den Pool erledigen.«9 Die Arbeitszeit dient hier als Maß des individuellen Anteils des Produzenten an der Gemeinarbeit und daher auch an dem individuell verzehrbaren Teil des Gemeinprodukts. Der Produzent »erhält von der Gesellschaft einen Schein, dass er soundso viel Arbeit geliefert (nach Abzug seiner Arbeit für die gemeinschaftlichen Fonds), und zieht mit diesem Schein aus dem gesellschaftlichen Vorrat von Konsumtionsmitteln soviel heraus, als gleich viel Arbeit kostet. Dasselbe Quantum Arbeit, das er der Gesellschaft in einer Form gegeben hat, erhält er in der andern zurück.« (Karl Marx, Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, S. 20) Die Ähnlichkeit zum Warentausch täuscht, denn »Inhalt und Form sind verändert, weil unter den veränderten Umständen niemand etwas geben kann außer seiner Arbeit und weil andrerseits nichts in das Eigentum der einzelnen übergehen kann außer individuellen Konsumtionsmitteln.« (Karl Marx, Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, S. 20)

Beim Flatrate-Modell wird der Gesamtaufwand der Produktion ebenfalls auf die Gesamtheit der Konsumenten aufgeteilt, aber unabhängig von der individuellen Konsumtion. (Infrastruktur, Gesundheitswesen oder Nahrungsmittel). »In der Peer-Produktion bedeuten solche Modelle, dass alle Beteiligten etwa dasselbe beitragen (oder einen Mindestbetrag leisten) und dass ihnen im Gegenzug die Ergebnisse des Projekts zur freien Verfügung stehen.« (Christian Siefkes, Beitragen statt tauschen, S.35) Eine weitere Möglichkeit, Geben und Nehmen zu koppeln, besteht darin, statt Aufgaben Produkte zu versteigern. »Wenn es für ein bestimmtes Produkt mehr Nachfrage gibt als befriedigt werden kann, kann die Gesellschaft die relativen Kosten (den Umfang der erforderten Beiträge) dieses Produkts so lange erhöhen, bis sich genügend potentielle Interessenten umentscheiden (Aufwärtsversteigerung). ... ein Anstieg der relativen Kosten (benötigten Beiträge) für ein bestimmtes Produkt führt automatisch dazu, dass die relativen Kosten für alle anderen Produkte fallen ... Übernimmt also ein Gesellschaftsmitglied zusätzliche Aufgaben, um ein aufwärtsversteigertes Produkt zu erwerben, haben die anderen Gesellschaftsmitglieder entsprechend weniger zu tun – ihnen verbleibt mehr Zeit für andere Aktivitäten ...« (Christian Siefkes, Beitragen statt tauschen, S.39 Im Zitat wurde zur besseren Einordnung das Wort Projekt mit Gesellschaft ersetzt.)

Wenn mit der Einführung des Gemeineigentums der Gegensatz zwischen Verkäufer und Käufer, zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erst einmal aufgehoben ist, wenn auf der Grundlage des gemeinsamen Zwecks der Gemeingüterproduktion sich eine Gesellschaft unter Gleichen entwickelt hat, nachdem also »die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist; nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch ihre Produktivkräfte gewachsen und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen - erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!« (Karl Marx, Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, S. 21)

Links
Christian Siefkes "Beitragen statt tauschen" als ganzes eBook: http://books.google.ch/books?id=usmCi9shwGoC&lpg=PP1&ots=kq_ZsKQsKE&dq=Christian%20Siefkes%20beitragen%20statt%20tauschen&pg=PA9#v=onepage&q&f=false

hier noch ein weiterer Artikel zum Thema: http://www.keimform.de/2011/wie-es-den-kapitalismus-zum-commonismus-treibt/

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