Dienstag, 1. März 2011

Das Öl-Business für Dummies

Von Markus Diem Meier.
1.3.2011

Was treibt die Erdölpreise hoch und wie bedrohlich ist das für die Wirtschaft? Die fünf wichtigsten Fragen und Antworten rund ums Öl.

Die fünf wichtigsten Fragen

1. Was treibt die Ölpreise hoch?
2. Was bedeuten steigende Ölpreise für die Weltwirtschaft?
3. Worin liegen die Gefahren durch steigende Ölpreise?
4. Welche Rolle spielt die Politik?
5. Was bedeuten steigende Ölpreise für die Schweiz?


1. Was treibt die Ölpreise hoch?

Die unmittelbare Ursache der Preisausschläge sind die Ereignisse in den arabischen Ländern. In Ägypten machte sich die Sorge breit, der Versorgungsweg durch eine wichtige Pipeline und den Suez-Kanal könnte gefährdet sein. Im Fall von Libyen besteht die Gefahr des Produktionsausfalls von einem der wichtigsten Ölproduzenten für Europa. Die in London gehandelte Ölsorte Brent hat sich seit Anfang Jahr bis letzte Woche um fast 26 Prozent auf knapp unter 120 Dollar pro Fass verteuert. Mittlerweile hat sich der Preis wieder etwas erholt und liegt bei 112 Dollar, was noch immer einem Anstieg von beinahe 20 Prozent seit Jahresbeginn entspricht. Weniger ausgeprägt war der Preisanstieg an der Börse von New York, wo die Sorte «West Texas Intermediate» oder «Crude» gehandelt wird. Weltweit haben die Börsen auf die Preisausschläge reagiert, erst deutlich mit Abschlägen, nach dem leichten Nachgeben der Preise dann wieder mit leichten Gewinnen.

Obwohl die Unsicherheit zum Ausgang in Libyen weiter anhält, hat vor allem die Ankündigung Saudiarabiens, die eigene Produktion weiter hochzuschrauben, für die kleine Entspannung an den Märkten gesorgt. Dies obwohl das saudische Öl qualitativ nicht mit dem libyschen mithalten kann und die Fähigkeiten von Saudiarabien nicht unumstritten sind, die eigene Produktion überhaupt ausreichend hochfahren zu können. So hat der bekannte Rohstoff-«Guru» Jim Rogers auf Bloomberg die Saudis offen der Lüge bezichtigt.

Der starke Anstieg der Preise in den letzten Tagen und Wochen geht weniger auf unmittelbar veränderte Ölströme zurück, sondern hat mehr mit der Spekulation darauf zu tun, dass die Versorgungsunsicherheit gefährdet bleiben oder noch zunehmen könnte. Der Grund dafür ist die wachsende Unsicherheit in der ganzen Region der wichtigsten Erdöl produzierenden Länder. Diese Unsicherheiten dürften daher auch für weitere Schwankungen der Preise sorgen. Für einen weiteren langfristigen Anstieg der Ölpreise sprechen aber auch andere Gründe: Auf der Nachfrageseite der wachsende Bedarf in boomenden aufstrebenden Volkswirtschaften und auf der Angebotsseite die von vielen behauptete Verknappung der leicht zugänglichen Ölvorräte.

2. Was bedeuten steigende Ölpreise für die Weltwirtschaft?

Steigende Ölpreise sind Gift für die Wirtschaft. Das gilt ganz besonders für Länder, die bisher wenig getan haben, um ihre Abhängigkeit vom schwarzen Gold zu reduzieren – vor allem die USA. Das Schreckbeispiel sind die 70er-Jahre, als der so genannte «Ölschock» nicht nur dieses Land, sondern gleich die ganze westliche Welt in Rezessionen gestürzt hat. Die USA, deren Wirtschaft noch immer wichtiger ist für die Weltwirtschaft als jede andere, haben die Auswirkungen der Finanzkrise noch immer nicht überwunden und befinden sich auf einem sehr fragilen Erholungspfad mit einer anhaltend hohen Arbeitslosigkeit von 9 Prozent. Weiterhin deutlich steigende Erdölpreise haben daher das Potenzial, das Land erneut in die Krise zurückzuwerfen. Da steigende Ölpreise das gesamte Preisniveau hinaufdrücken, sind aber aktuell auch stark wachsende, so genannte aufstrebende Volkswirtschaften wie zum Beispiel China gefährdet, da sich dort die Teuerungsraten ohnehin schon auf einem ungemütlich hohen Niveau bewegen.

3. Worin liegen die Gefahren durch steigende Ölpreise?

Steigende Ölpreise gefährden die Wirtschaft von zwei Seiten: Erstens allein deshalb, weil sie ganz generell zu höheren Kosten führen. Das bremst Konsum und Investitionen. Zweitens können sie zu dem führen, was als «Lohn-Preis-Spirale» bekannt ist. Wenn durch das teurere Öl das Preisniveau steigt und die Beschäftigten für diesen Aufschlag einen entsprechend höheren Lohn fordern, verteuern sich die Produktionskosten gleich noch einmal und auch die Inflation steigt weiter. Das führt zu dem, was Ökonomen eine Stagflation nennen: eine stagnierende oder sogar rückläufige Wirtschaftsleistung bei gleichzeitiger Teuerung. Gewöhnliche Rezessionen haben wenigsten den Vorteil, dass die Inflation zurückgeht oder tief ist, weil sie durch eine sinkende Nachfrage ausgelöst werden. In einer Stagflation liegt die Ursache dagegen beim Angebot an Gütern und Diensten, diese geht wegen höheren Kosten zurück.

4. Welche Rolle spielt die Politik?

Die Politik im Umgang mit gefährdeten Erdöl produzierenden Ländern spielt eine wichtige Rolle dabei, ob die Preise in nächster Zeit weiter ansteigen. So werden westliche Länder bei ihren Aktivitäten und Äusserungen sehr darauf bedacht sein, keine Reaktion zu provozieren, die in irgendeiner Weise die Erdölversorgung gefährden könnte. Schon der Erdölschock der 70er-Jahre ging auf militärisch-politische Auseinandersetzungen im arabisch-israelischen Konflikt zurück. Angesichts der unsicheren aktuellen Lage ist allerdings die Gefahr von Fehlentscheiden und entsprechenden Reaktionen hoch.

Entscheidend ist aber auch die Wirtschaftspolitik. Sie muss auf jeden Fall darauf bedacht sein, eine Lohn-Preis-Spirale zu verhindern. Dabei dürfen die höheren Energiepreise nicht auf die Teuerungserwartungen durchschlagen. Zeichnet sich eine solche Entwicklung ab, treten Notenbanken in der Regel bei ihrer Geldversorgung der Wirtschaft hart auf die Bremse. Eine solche Rosskur, die eine angesichts steigender Kosten und Preisen schon schwächelnde Wirtschaft weiter in die Krise drückt, hat zu Beginn der 80er-Jahre Paul Volcker, der damalige Notenbankchef der USA, angewandt. Damit hat er dem Land zwischenzeitlich eine Rekordarbeitslosigkeit von beinahe 11 Prozent beschert, aber gleichzeitig die Inflationsrate von 13,5 Prozent als Folge einer Lohn-Preisspirale innert zweiter Jahre wieder auf das Niveau von 3,2 Prozent hinuntergedrückt. Trotz den angestiegenen Ölpreisen befindet sich die entscheidende Kerninflation in den USA wie auch in der Schweiz allerdings noch immer auf tiefem Niveau. Die Kerninflation schliesst unter anderem Energiepreise aus. Beginnt sie auszuschlagen, wäre das ein Anzeichen für so genannte Zweitrundeneffekte. Damit ist gemeint, dass die Erdölpreise die Löhne und weitere Produkte verteuern. Die noch immer schwache Nachfrage dämpft bisher in den USA den Preisdruck

Angesichts der noch immer schwachen Wirtschaftslage und den anhaltenden Problemen im Finanzsektor ist die US-Notenbank ohnehin nicht daran, eine drohende Teuerung zu bekämpfen. Mit ihrem im letzten Jahr beschlossenen zweiten «Quantitative Easing»-Programm pumpt sie insgesamt 600 Milliarden Dollar über Käufe von US-Staatsanleihen in die Wirtschaft. Viele sehen in der dadurch geschaffenen Liquidität ebenfalls einen Grund für spekulative Erdöl- und andere Rohstoffkäufe. Ausserdem spiegelt sich allein der dadurch geschwächte Dollar in den höheren Preisen des Öls.

5. Was bedeuten steigende Ölpreise für die Schweiz?

Die Schwäche des US-Dollars ist für die Schweiz zumindest in Bezug auf die Erdölpreise ein Vorteil. Der Preisanstieg beim Öl wurde durch einen Absturz der US-Währung begleitet, die auf historischen Tiefstständen notiert. Dennoch hat der Ölpreis in den letzten Wochen prozentual deutlich stärker zugelegt, als der Dollar sich abgeschwächt hat – seit Mitte Februar ist er von 97 Rappen auf rund 93 Rappen gefallen. Das heisst, dass ein anhaltender Preisanstieg des Öls auch den Aufschwung in der Schweiz bedrohen kann. Das gilt umso mehr, als Prognoseinstitute im laufenden Jahr auch einen dämpfenden Einfluss durch schwächere Exporte als Folge der Frankenstärke erwarten.

Quelle: Tagesanzeiger.ch/Newsnetz

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