Von Johannes Dietrich, Johannesburg.
Tages-Anzeiger, 5.April 2011
Der gewählte Präsident der Elfenbeinküste hat ein Massaker zu verantworten.
Im Verlauf des rasanten Feldzugs hat der gewählte Präsident der Elfenbeinküste seine weisse Weste verloren: Alassane Ouattars Kämpfer haben Hunderte von Zivilisten ermordet.
Im Verlauf des rasanten Feldzugs hat der gewählte Präsident der Elfenbeinküste seine weisse Weste verloren: Alassane Ouattars Kämpfer haben Hunderte von Zivilisten ermordet.
Die Weltöffentlichkeit liebt den Kampf des personifizierten Guten gegen das Böse, und beinahe hätte es Alassane Ouattara geschafft, mit blütenreiner Weste sein Amt als Präsident der westafrikanischen Elfenbeinküste anzutreten. Dem 69-jährigen Ökonomen hatte Ex-Präsident Laurent Gbagbo Ende letzten Jahres den Wahlsieg geklaut: Seitdem kam für Ouattara alles darauf an, seinen moralischen Vorsprung in den Augen der internationalen Gemeinschaft aufrechtzuerhalten. Denn nur mit ausländischer Hilfe hatte der ehemalige Direktor des Weltwährungsfonds noch eine Chance, am Ende zu triumphieren.
Nun steht dieser Triumph tatsächlich bevor. Von Nachbarstaaten und westlichen Nationen aufgepäppelt, haben Ouattaras Republikanische Kräfte in einem Blitzkrieg die Elfenbeinküste aufgerollt. Das Reich des bösen Gbagbo ist auf das Zentrum der Metropole Abidjan reduziert: Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis der aufbrausende Geschichtsprofessor der Historie angehört. Doch im Verlauf des rasanten Feldzugs hat auch Ouattara die Unschuld verloren: Befreundete Milizionäre, vielleicht auch Angehörige seiner Republikanischen Kräfte selbst, richteten im Westen des Landes ein Blutbad mit Hunderten von Toten an. Jetzt hat die weisse Weste des Präsidenten einen finsteren Fleck.
Die zwielichtige Lichtgestalt des Westens
Ganz schwarz und weiss war das Verhältnis der beiden Erzkontrahenten nie. Während Ouattara dem Autokraten Félix Houphouët-Boigny Anfang der Neunzigerjahre als Premier diente, sass der Sozialist Laurent Gbagbo monatelang im Gefängnis: An der blutigen Unterdrückung der oppositionellen Proteste soll Ouattara selbst beteiligt gewesen sein. Nach dem Tod von «Papa Houphouët» brach die Rivalität zwischen Ouattara und Gbagbo erst richtig aus: Wiederholt gelang es dem linksnationalistischen Geschichtsprofessor, den seinen Initialen entsprechend «Ado» genannten Ouattara mit einem Trick von der Macht fernzuhalten. Er stempelte den muslimischen Nord-Ivorer, dessen Vater aus dem Nachbarland Burkina Faso stammt, zum Ausländer und verhinderte so zweimal seine Kandidatur fürs höchste Amt. Ob Ado die Sabotage seiner Ambitionen geduldig über sich ergehen liess oder hinter der blutigen Rebellion der Forces Nouvelles im Jahr 2002 stand, ist umstritten: An seiner Nähe zu den Rebellen, die derzeit für ihn die Macht erobern, besteht jedoch kein Zweifel.
Im westlichen Ausland aber galt Ado bisher als Lichtgestalt. Der in den USA ausgebildete Ökonom und Basketball-Fan ist mit der Französin Dominique Nouvian Folleroux verheiratet: Ihre Hochzeit 1990 wurde vom damaligen Bürgermeister von Neuilly, Nicolas Sarkozy, gestiftet. Wird Ado im Westen als hart arbeitender Technokrat gepriesen, so werfen ihm Gbagbos Anhänger vor, die Elfenbeinküste westlichen Interessen auszuliefern: Die Umtriebe seiner Makler-Frau und seine Unterstützung der verheerenden, vom Westen diktierten Strukturanpassungsprogramme liessen Schlimmstes ahnen, sagen sie.
Ouattaras eigentlicher Test steht erst noch bevor. Er muss das zutiefst gespaltene Land vereinen, dessen Bevölkerung zu immerhin 45 Prozent für seinen Erzfeind Gbagbo stimmte. Schafft es Ado nicht, den Flecken auf seiner Weste mit der Bestrafung der Massenmörder in Duékoué zu tilgen, wird er die zerrüttete Elfenbeinküste nie hinter sich bringen.
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